Es ist eine historische Chance, die im bundesdeutschen Föderalstaat so schnell nicht wiederkehren wird. Weil als Folge des auslaufenden Solidarpakts II Ende 2019 der geltende bundesstaatliche Finanzausgleich endet, müssen sich die Länder mit ihren Gemeinden und der Bund auf ein neues Regelwerk für die innerstaatlichen Finanzbeziehungen verständigen.
„Wir brauchen Mut zu einem Verantwortungsföderalismus, in dem sich die Politiker im Bund, in den Ländern und den Kommunen ihrer eigenen Verantwortung stärker bewusst werden, weil sie für die Folgen des eigenen Handelns politisch haften müssen. Das aktuelle System der organisierten Verantwortungslosigkeit gehört abgeschafft.“ Das findet der Konvent für Deutschland, ein überparteiliches Gremium, das jetzt konkrete Vorschläge zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen vorgestellt hat.
In seiner aktuellen Stellungnahme kritisiert der Konvent für Deutschland, dass statt einer breiten politischen Debatte in den Parlamenten und der Öffentlichkeit seit Monaten fast ausschließlich hinter den verschlossenen Türen der Exekutive gerungen werde – in Staatssekretärs- und Finanzministerrunden sowie im Kreis der Ministerpräsidenten. Von Reform-Elan sei nichts zu spüren. Besitzstände würden verteidigt, Fehlanreize im System kaum mehr thematisiert. Im Zweifel wollten sich alle beim Bund schadlos halten, der dafür den Solidaritätszuschlag zu Lasten der Steuerzahler über 2019 hinaus als Sonderabgabe fortführen oder ihn in die Einkommensteuer einbeziehen solle.
Der Konvent: „Dabei ist die Organisation der innerstaatlichen Finanzbeziehungen entscheidend für einen funktionierenden Föderalstaat, in dem sich die verschiedenen öffentlichen Hände zu ihrer Eigenverantwortung bekennen müssen. Nur dort, wo in einem demokratischen Rechtsstaat die jeweilige Gebietskörperschaft über Einnahmen- und Ausgabenkompetenz verfügt, kann der eigentliche Souverän, das Wahlvolk, auch in Wahlen und Abstimmungen fundierte Entscheidungen treffen.“
Der Konvent fordert:
„Die föderale Struktur in Deutschland hat Verfassungsrang und gehört zu den Unantastbarkeiten des Grundgesetzes. Deshalb sind die politischen Kompetenzen der Länder samt ihrer Gemeinden zu stärken: durch die Entflechtung der Aufgaben- und Finanzierungszuständigkeiten, aber auch durch mehr Steuerautonomie der verschiedenen Gebietskörperschaften.
Nur eine Legislative, die über Einnahmen und Ausgaben entscheiden kann, ist in einer Demokratie politisch wirklich souverän. Zur Souveränität gehört aber auch mehr Einfluss auf den ausgabenrelevanten Umfang der Aufgaben. Man muss von Landesregierungen und Landesparlamenten Mut zur Verantwortung einfordern. Denn sonst werden sie durch Bedeutungsverlust überflüssig. Zur politischen Gestaltungsfähigkeit gehört nicht nur die Ausgaben-, sondern auch die Finanzierungsverantwortung. Es ist zu einfach, wenn sich Länder (und Kommunen) nur als Opfer sehen, weil immer detailliertere und rechtlich verbindlichere Aufgabenübertragungen immer weniger mit der dafür erforderlichen Finanzausstattung korrespondieren. Politische Gestaltungsfähigkeit verlangt, erst recht in Zeiten der Schuldenbremse, auch Elemente von Steuerautonomie.
Das hochkomplexe vierstufige System des aktuellen Finanzausgleichs, das horizontal (zwischen den Ländern) und vertikal (vom Bund zu den Ländern) verteilt, wird abgelöst durch Bund-Länder-Zuweisungen mit weitgehender Besitzstandswahrung gegenüber dem Status Quo. Diese vertikalen Zuweisungen erfolgen nach Bedarfs- und Anreizgesichtspunkten.
Länder, die unter der Zinslast ihrer Altschulden oder unter exorbitant wachsenden Pensionsverpflichtungen leiden und die grundgesetzliche Schuldenbremse ab 2020 nicht einhalten können, werden durch eine begrenzte Altlastenübernahme, gekoppelt an strenge Konsolidierungsauflagen, unterstützt.
Allerdings verknüpft der Konvent diese Altlastenübernahme mit einer Zustimmung der Länder zu mehr eigener Steuerautonomie bei der Lohn- und Einkommensteuer (Zu- und Abschlagsteuer). Um die Angst vor einem ruinösen Steuerwettbewerb zu mindern, hält der Konvent beim Zuschlags- respektive Abschlagsrecht einen Korridor von +/- 5 Prozent für geboten.
Der Konvent plädiert für einen Verantwortungsföderalismus, in dem sich Länder und Kommunen nicht mehr hinter Forderungen an den Bund verschanzen können. Wer einen Zentralstaat ablehnt und sich zum Föderalismus bekennt, der darf auf eigene Entscheidungskompetenzen nicht aus Furcht vor den Konsequenzen verzichten.
Der Konvent für Deutschland hat das Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW) mit der Erstellung einer Studie beauftragt. „Reformoptionen für einen Verantwortungsföderalismus“ finden Sie hier als PDF: ZEW_Zukunft_LFA_Konvent_20141023