Bürger aus anderen EU-Staaten haben nach einem Urteil des Landessozialgerichts Essen Anspruch auf Hartz IV-Zahlungen. Entscheidend dafür sei nach Auffassung der Richter, dass die Betroffenen Deutschland zu ihrem neuen Lebensmittelpunkt erklären. Das trifft auch auf Menschen aus Krisenländern wie Bulgarien und Rumänien zu. Die Konsequenzen dieses Urteils könnten große Löcher in die Sozialetats von Bund und Kommunen reißen.
Das Bundessozialgericht hatte im Januar 2013 die Rechtsauffassung vorgegeben. Das Landessozialgericht Essen gehört zu den ersten, die sie nun umsetzen. Ein Paar aus Bulgarien, welches laut Gericht keinerlei berufliche Qualifikation habe und die deutsche Sprache weder sprechen noch verstehen könne, hatte in Hamm Leistungen nach dem SGB II beantragt. Bis dahin lebte das paar von seinem Erspartem und 773 Euro Kindergeld für ihre vier Kinder. Die Stadt Hamm lehnte das Begehren ab. Das Sozialgericht in Dortmund war der gleichen Meinung. Durch einen Grundsatzbeschluss des Bundessozialgerichts entschied aber nun das Landessozialgericht Essen anders. Da die Familie erklärte, trotz der Arbeitslosigkeit in Deutschland bleiben zu wollen, sie hier also ihren neuen Lebensmittelpunkt gefunden habe, kassierte das Landessozialgericht Ende August die Entscheidungen der Stadt Hamm und des Sozialgerichtes Dortmund ein.
Die Tragweite des Urteils, das der erklärte Lebensmittelpunkt über Hartz-IV-Leistungen entscheiden könnte, wird unterschiedlich bewertet: In der der Stadt Hamm geht man davon aus, dass der Beschluss des Eilverfahrens des Landessozialgerichts eine grundsätzliche Bedeutung habe. In Dortmund hält man das Urteil für einen Einzelfall.
Sollte sich der Tenor der Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts in weiteren Urteilen wiederholen, könnten dadurch die Sozialbudgets vieler Kommunen zusätzlich strapaziert werden. Ab 2014 gilt die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänien und Bulgarien, die Zahl der Zuwanderer dürfte spätestens dann steigen.
Die Entscheidung wirkt sich allerdings nicht auf Personen aus, die nach Deutschland kämen um einen Job zu finden und erst danach über einen dauerhaften Verbleib nachdenken wollen.