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Münsterländer Stromrebellen am Ziel

Energie, Versorgung

Lange haben acht Kommunen daran gearbeitet, die Versorgungsnetze zu rekommunalisieren und dann die Konzessionen an eine gemeinsame Kommunalgesellschaft zu vergeben. Der Kampf hat sich gelohnt – die Netzgesellschaft kann jetzt an den Start gehen und die Einnahmen steigen vermutlich.

Strommast©-Gina-Sanders

 

Ein Beitrag von Markus Klaus

Der Münsterländer gilt als bodenständig, ruhig und strebsam. Er steht in dem Ruf, diese Eigenschaften gelegentlich zu einer gewissen Sturheit ausarten zu lassen, was sein Gegenüber manchmal als Feindseligkeit auslegt. Dabei will er nicht unhöflich zu anderen Menschen sein oder ihnen gar vor den Kopf stoßen. Nichts liegt ihm ferner. Das gilt sowohl für menschliche als auch geschäftliche Beziehungen. „Nicht reden, machen“, lautet seine Devise. Danach lebt er. Und noch etwas zeichnet den Bewohner des Münsterlandes aus: Er verfolgt ein einmal ins Auge gefasste Ziel beharrlich und konsequent. Das gilt in besonderer Weise auch für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker der Region. Diesen Wesenszug bekommt derzeit der Energieversorger RWE im Kreis Coesfeld zu spüren. Seit 2008 arbeiten acht Kommunen konsequent daran, die Versorgungsnetze zu rekommunalisieren. Ihr Ziel ist es, die Konzessionen für die lokalen Leitungsnetze in den beteiligten Städten und Gemeinden mit insgesamt 120000 Einwohnern schrittweise an eine gemeinsame Kommunalgesellschaft zu vergeben, weil ihnen dies finanzielle Vorteile verspricht. Die Idee dahinter ist ganz einfach: Bislang werden die verschiedenen Netze im Kreis Coesfeld von den unterschiedlichen Energieunternehmen betrieben. Und nicht nur das: Sie gehören ihnen auch. Allerdings erfolgt der Betrieb im Rahmen einer Konzession, also einer befristeten Genehmigung zur Ausübung eines konzessionspflichtigen Gewerbes oder Handels. Die Erteilung der Konzession liegt in den Händen der Gemeinden, die bei der Vergabe über die Laufzeit finanziell entschädigt wird. Diese (festen) Einnahmen aus der „Benutzungsgebühr“ reichten den Kommunalpolitikern in den Münsterlandkommunen aber nicht mehr. Sie wollten ein größeres Stück vom „Strompreiskuchen Stromversorger dürfen ihren Kunden die Erstellung und den Betrieb des Netzes in Rechnung stellen. Die Bundesnetzagentur wacht darüber, dass die Rendite nicht zu groß ist. Zwischen sieben und neun Prozent beträgt sie derzeit. Die Kommunen ihrerseits können sich zu deutlich günstigeren Bedingungen refinanzieren. Ihre Finanzierungskosten liegen erheblich unter der Rendite. Diese Differenz macht die Rekommunalisierung für die Städte und Gemeinden so attraktiv. Neben dem Geld aus den Konzessionsverträgen soll zukünftig also auch ein Teil der Rendite in den städtischen Haushalt fließen. Deshalb wollen sie das Netz kaufen.

 

OLG Düsseldorf hebt Beschluss der Vergabekammer auf

Nach langem juristischen Hin und Her sind die „Münsterländer Stromrebellen“ jetzt am Ziel. Ende Januar 2013 wurde die Zusammenarbeit mit der Gelsenwasser AG zur Gründung der Münsterland Netzgesellschaft besiegelt. Doch bevor dies erreicht werden konnte, waren eine Menge Klippen zu umschiffen! Die Städte und Gemeinden hatten die Gelsenwasser AG in einem EU-weit ausgeschriebenen förmlichen Vergabeverfahren als strategischen Partner für ihr Gemeinschaftsunternehmen Münsterland Netzgesellschaft ausgewählt. Mit diesem Gemeinschaftsunternehmen wollten sie sich an den Konzessionsvergabeverfahren, die jede einzelne Kommune jeweils separat nach den gesetzlichen Vorgaben des Energiewirtschaftsgesetzes durchführen muss, beteiligen und sich dem Wettbewerb mit interessierten Energieversorgern wie etwa der RWE stellen.

Unmittelbar nach Bekanntgabe der Entscheidung für Gelsenwasser hatte RWE, die selbst im Vergabeverfahren unterlegen war, die Vergabekammer der zuständigen Bezirksregierung Münster angerufen und eine Nachprüfung des Verfahrens beantragt. Hierbei machte der Essener Versorger geltend, dass das Verfahren an grundlegenden Mängeln leide, weil es die Konzessionsvergabe in unzulässiger Weise vorwegnehme.

Die zuständige Stelle der Bezirksregierung würdigte die Auswahl des strategischen Partners kritisch und legte das weitere Verfahren zunächst auf Eis. Nach ihrer Entscheidung durfte der Zuschlag für die strategische Partnerschaft weder an Gelsenwasser noch an RWE erteilt werden. Vielmehr sollte die Auswahl des strategischen Partners mit der Konzessionsvergabe gleich in einem einheitlichen Verfahren verbunden werden. Diese Entscheidung wollten die Kommunen wiederum nicht akzeptieren und klagten gegen den Beschluss der Kammer. Mit Erfolg: Das Oberlandesgericht Düsseldorf erlaubt mit seinem Beschluss vom 9. Januar 2013, dass eine Kommune zusammen mit einem strategischen Partner aus der Energiebranche eine Netzgesellschaft gründet. Diese Netzgesellschaft darf sich dann um die Strom- und Gaskonzessionen der Kommune bewerben. Eine Voreingenommenheit oder Vorfestlegung unterstellt das Gericht den Kommunen für die folgenden Konzessionsvergaben nicht. Die Ausgangsentscheidung der Vergabekammer Münster, die zu einem anderen Ergebnis kam, wurde damit aufgehoben.

 

Ziel: Die Wertschöpfung vor Ort halten

Die Entscheidung des Gerichts wurde in den Rathäusern mit großer Freude aufgenommen. Jetzt steht als nächstes die Vergabe der Konzessionen in jeder einzelnen Kommune an. Im kommenden Jahr wird über den Kauf der Netze, die sich zurzeit noch größtenteils im Besitz der RWE befinden, verhandelt. „Wir wollen ohne Hast gründlich weiterarbeiten“, sagt Olfens Bürgermeister Josef Himmelmann (CDU). Einen konkreten Termin wollte er aber nicht nennen, wann die Städte und Gemeinden letztlich Besitzer der Netze auf ihren Gebieten sein werden. „Qualität geht vor Zeit.“ Letztere hat der Christdemokrat aber dennoch vor Augen: Nicht nur die Übernahme der Netze, sondern auch der Eigenvertrieb von Strom und Gas soll langfristig über die neue Gesellschaft möglich werden. Eine „eigene Marke“, so Himmelmann, soll dafür etabliert werden. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Der Olfener Bürgermeister betonte, dass bei allen Aktivitäten das Ziel im Vordergrund stehe, die Wertschöpfung im Ort zu halten: „Wir möchten, dass das Geld hierbleibt.“ Chancen sehen die Städte und Gemeinden dabei vor allem auch in der Energiewende, die den Energiemarkt dezentralisieren wird. Wind, Wasserkraft und Sonne aus dem Kreis Coesfeld könnten dann zum Exportschlager werden.

 

Bild:Gina-Sanders@fotolia.com