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Wir brauchen alle klimafreundlichen Technologien

Mobilität

Das Aus für den Verbrenner in der EU ist besiegelt. Ab 2035 dürfen nur noch emissionsfreie Fahrzeuge in Verkehr gebracht werden. Für bereits zugelassene Fahrzeuge gilt Bestandsschutz. Und auch Gebrauchtwagen dürfen weiterhin verkauft werden. Während die notwendigen Weichenstellungen für den Markthochlauf der E-Mobilität intensiv diskutiert werden, führen eFuels ein Nischendasein. Mit eFuels sind synthetische mit Hilfe von erneuerbarem Strom hergestellte Kraftstoffe gemeint. Wir haben mit Ralf Diemer, Geschäftsführer der eFuel-Alliance gesprochen, welche Rolle synthetische Kraftstoffe in Zukunft spielen können.

KOPO: Die Klimaziele im Verkehrssektor werden Jahr für Jahr verfehlt. Woran liegt das? Was könnte helfen?

Ralf Diemer:
Pkw und Lkw sind stetig effizienter geworden. Der Verkehrssektor ist dennoch einer der großen Emittenten von Treibhausgasen. Als grober Überblick ein paar Zahlen: Weltweit emittieren wir in 2021 36.3 Gigatonnen CO2. Auf den weltweiten Transportsektor entfallen 7.64 GtCO2, also rund ein Fünftel der Gesamtemissionen – Europas Anteil liegt hier bei 16 Prozent. Betrachten wir europäische Pkw, leichte Nutzfahrzeuge und Lkw, sind diese für rund zwei Prozent der weltweiten Gesamtemissionen verantwortlich. Die Verringerung der Emissionen ist aus europäischer Sicht also relevant, global betrachtet sind die Herausforderungen jedoch weitreichender.

Ralf Diemer, Geschäftsführer der eFuel-Alliance
Foto: © eFuel-Alliance

Die Welt um uns herum steht keineswegs still. Wir in der EU – ganz besonders wir Deutschen, sehen uns gerne als Vorreiter, wenn es um den Schutz des Klimas und wenn es um Gesetze und Regulierungen geht. Doch der internationale Wettbewerb verstärkt sich, wie wir am sogenannten Inflation Reduction Act in den USA sehen können. Zugleich verhärtet sich in der EU eine Tendenz zu einseitigen Technologieentscheidungen und zu bürokratischen, ja teilweise planwirtschaftlich anmutenden Regulierungen. Dies gilt auch für den Verkehrssektor, wo die jüngsten Entscheidungen von Rat und Parlament im Zusammenhang mit den CO2-Flottenzielen für die Automobilhersteller zu einem faktischen Verbrennerverbot für neue PKW in der EU ab 2035 führen.

Wir führen eine ideologisch aufgeheizte Debatte zwischen „nur“ Elektromobilität und „der Rettung des Verbrennungsmotors“ mit alternativen Kraftstoffen. Dabei liegt die Wahrheit doch – wie so oft – in der Mitte. Weder E-Mobilität noch Wasserstoff und seine Derivate, so genannte eFuels, sind für sich allein genommen die Allzwecklösung. Ein praxisnaher, möglichst kosteneffizienter und anwendungsorientierter Ansatz, der sich vor allem auch nach den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer richtet, wäre hier der richtige Weg.

Foto: © Petair – stock.adobe.com

Elektrofahrzeuge, die mit erneuerbarem Strom betrieben werden und Verbrennerfahrzeuge, die mit aus erneuerbaren Energien hergestellten synthetischen Kraftstoffen (eFuels) fahren, sind beides klimafreundliche Alternativen. Deshalb muss die CO2-Flottenregulierung so ausgestaltet sein, dass beides Berücksichtigung findet. Die jetzt gefundene Entscheidung zwingt alle Hersteller dazu, ausschließlich in E-Fahrzeuge zu investieren. Dabei spielt es keine Rolle, wie der Strom für diese Fahrzeuge produziert wird. Das hilft dem Klima nur bedingt, wenn wir nicht auch zu einer Einbeziehung der Energieträger gelangen. Außerdem ist es für die Erfüllung der Klimaziele im Verkehrssektor – gerade im Straßenverkehr – unerlässlich, den Bestandsfahrzeugen – und das sind in Deutschland allein über 48 Millionen PKW – mit Verbrennungsmotoren einen Beitrag zum Klimaschutz zu ermöglichen. Daher brauchen wir neben der Elektrifizierung auch eFuels für den Straßenverkehr, sonst werden wir auch weiterhin unsere Klimaziele verfehlen.

KOPO: Verkehrsminister Wissing setzt darauf, die Ladeinfrastruktur auszubauen, damit mehr Menschen vom Verbrenner auf ein E-Auto umsteigen. Zwar sind Tesla und Co keine Exoten mehr auf der Straße, aber der Anteil an E-Autos lag Ende 2022 bei 1,3 Prozent. Zugespitzt gefragt: Welchen Nutzen bringt es, wenn ab 2035 in Europa keine neuen Verbrenner mehr zugelassen werden dürfen? Die Bestandsfahrzeuge emittieren ja weiter.

Ralf Diemer: Exakt richtig! Alle Technologien haben ihre Daseinsberechtigung als auch ihren Nutzen, wenn sie langfristig klimaneutral betrieben werden können. Die Ambitionen die Elektromobilität schnell zu skalieren ist hoch. Die Umsetzung hängt von vielen Faktoren ab: Kosten, Ladeinfrastruktur, Kundenakzeptanz, die Verfügbarkeit erneuerbarer Stromquellen oder von Batterierohstoffen.

Das Verbrenner-Aus 2035 hat aus Kommissionssicht die Wirkung, dass die europäische Bestandsflotte, die sich derzeit auf über 300 Millionen Fahrzeuge beläuft, schrittweise ersetzt wird und der Verbrenner damit konsequent aus dem Verkehrsbild verschwindet. Doch wird das bei weitem nicht schnell genug gehen: Die Kommission geht selbst davon aus, dass 2040 noch rund 49 Prozent der Pkw- Bestandsflotte mit Verbrennungsmotor auf den Straßen unterwegs sein werden. Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von 12 – 14 Jahren kann man davon ausgehen, dass dieser Anteil womöglich auch noch höher sein könnte. Um hier einen großen und unmittelbar positiven Einfluss auf die Treibhausgasemission zu haben, ist der breite Einsatz von eFuels, zusätzlich zur Elektrifizierung weiter Flottenteile, zwingend notwendig. Dieses Zusammenspiel ermöglicht am Ende die erhoffte CO2-Emissionsreduzierung.

KOPO: Porsche hat Ende letzten Jahres eine eFuels Fabrik in Chile eröffnet. Was passiert in Deutschland? Drohen wir den Anschluss zu verlieren?

Ralf Diemer: Warum Patagonien? Ein Windrad produziert dort bis zu vier Mal mehr Strom als ein vergleichbares in unseren Breiten. Dieses Projekt ist sinnvoll, weil man an einen Ort gegangen ist, wo die Voraussetzungen zur Produktion von eFuels besonders günstig sind. Das sehen übrigens auch die Regierungen Chiles und der Bundesregierung so, weshalb auch beide das Projekt unterstützen.

Die Tatsache, dass die Anlage nicht in Deutschland steht, ist per se also keine schlechte Nachricht für die Bundesrepublik. Wir haben die Technologien in dieser Wertschöpfungskette in Deutschland und der EU. Das zeigt die Mitgliedschaft der eFuel Alliance. Die industrialisierte Massenproduktion von eFuels wird aus Kostengründen nicht wirklich in Deutschland entstehen. Erneuerbarer Strom ist bei uns auf Dauer zu knapp und zu teuer. Wir wollen auch nicht in Konkurrenz mit bestehender Stromproduktion treten, sondern einen Beitrag zum Aufbau zusätzlicher Erneuerbarer Energie-Potentiale leisten. Um so wichtiger ist, dass die EU ein Zielmarkt für unsere Produkte wird. Hier haben wir noch viel Arbeit vor uns: Eine ambitionierte Erneuerbare Energien-Richtlinie (RED), inklusive einer unbürokratischen, möglichst einfachen und offenen Umsetzung, ein vernünftig ausgestaltetes Energiebesteuerungssystem, das CO2-arme Produktion fördert, eine Anrechnung von eFuels bei CO2-Flottenzielen für Straßenfahrzeuge, maßvolle, aber ambitionierte eFuels Quoten für Flugzeuge und Schiffe sind hier die Stichworte. Allein eine Unterquote von flüssigen oder gasförmigen erneuerbaren Brenn- bzw. Kraftstoffen nicht biogenen Ursprungs (RFNBO) in der RED in Höhe von fünf Prozent, schafft eine Nachfrage nach Elektrolyseurkapazität von bis zu 60 GW, was 250 TWh Energie bei rund 4.000 Volllaststunden im Jahr und damit ca. 25 Milliarden Liter Diesel-Äquivalent entspricht. Gehen wir von Produktionskosten von rund 1,50 Euro pro Liter aus, entsteht hier ein Markt mit einem Umsatz von 37,5 Milliarden Euro.

Die Politik der EU-Kommission, teilweise getrieben durch die Bundesregierung, sorgt hier derzeit eher für künstliche Verknappung und Verhinderung von Investitionen. Denn klar ist eines: eFuels werden in den kommenden Jahren massiv hochlaufen. Die Frage ist, welchen Anteil die EU daran haben wird. Wenn wir es richtig anfangen, dann werden die vielen Projekte, die in Deutschland und der EU auf dem Weg sind, auch erfolgreich sein und wir eine führende Rolle bei der Produktion von Wasserstoff und eFuels behalten.

KOPO: Die Biokraftstoffe E10 / E15 wurden in Deutschland nie wirklich akzeptiert. Zu groß war die Sorge der Verbraucher vor Motorschäden. Droht den eFuels ein ähnliches Schicksal?

Ralf Diemer: Zwischen den gängigen Biokraftstoffen und eFuels gibt es einige Unterschiede, die berücksichtigt werden müssen. Die Biokraftstoffe E10/E15 bestehen aus einem Gemisch von Benzin und Ethanol, was den Anteil „reinen“ Benzins verringerte. Hier gibt es Probleme bei einigen älteren Fahrzeugen. Aber klar ist auch: Die Verwendung von E10 oder höheren Beimischquoten ist für die große Mehrheit der Fahrzeuge, schon gar nicht für neuere Modelle, kein Problem und daher ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.

EFuels sind im Gegensatz zu Biokraftstoffen synthetische Kraftstoffe. Sie werden aus erneuerbaren Quellen wie beispielsweise Sonne oder Wind und durch die Zugabe von CO2 und Wasser gewonnen. Die Kraftstoffe können so designed werden, dass sie identische Eigenschaften wie fossile Kraftstoffe haben. eFuels sind somit problemlos in allen Verbrennerfahrzeugen einsetzbar und mithin eine zukunftsfähige und vielseitige Alternative zu fossilen Brennstoffen.

KOPO: Kritiker bemängeln die hohen Kosten für die Herstellung von eFuels sowie einen Verteilungskampf um das knappe Gut Erneuerbarer Strom. Zum Einsatz kommen sollten eFuels deswegen vor allem dort, wo die Umstellung auf E-Mobilität nicht so leicht möglich ist, beispielsweise im Schwerlastverkehr. Nun befürchtet die Branche, dass eFuels nicht auf die Flottengrenzwerte angerechnet werden dürfen. Können Sie die Bedenken der EU nachvollziehen?

Ralf Diemer: Sicherlich gilt es abzuwägen, in welchen Bereichen welche Technologie sinnvoll ist und dass die Produktion von eFuels energieintensiv ist, steht außer Frage. Aber faktische Technologieverbote können nicht die Antwort sein. Außerdem sind sich alle einig, dass wir an die Lebensdauer der Bestandsflotten und auch an die Neuzulassungen schwerer Nutzfahrzeuge mit Verbrenner bis 2040 denken. Lassen wir diese Fakten außen vor, arbeitet die Null-Emissions-Flotte gegen die Bestandsflotte und wir haben nichts gewonnen.

Ob ich die Bedenken der EU demnach teilen kann? Kurzum: Nein. 73 Prozent aller auf dem Landweg beförderten Güter und Waren in der EU werden von Lkw transportiert. Damit ist der Schwerlastverkehr das Rückgrat der Resilienz und der Prosperität des europäischen Handels. Ja, der Schwerlastverkehr ist für 27 Prozent der CO2-Emissionen im Straßenverkehr und für 5 Prozent der europäischen Gesamtemissionen verantwortlich. Eine Regulierung des Sektors steht damit außer Frage. Aus diesem Grund wäre es wünschenswert, wenn die EU die Verwendung von eFuels im Schwerlastverkehr als weiteren Technologiepfad zur Senkung der CO2-Emissionen in Betracht ziehen würde. Laut dem kürzlich vorgestellten Vorschlag der EU-Kommission sollen eFuels nicht angerechnet werden können. Somit können Lastwagenhersteller die nun geplante 90-prozentige CO2-Emissionsreduktion schwerer Nutzfahrzeuge bis 2040 nur mittels Elektrifizierung oder wasserstoffbasierten Technologien erreichen, nicht aber mit Verbrennerfahrzeugen mit eFuels. Wir sind stark dafür, dass Logistikern und Spediteuren alle Türen offen gehalten und eine freie Technologieauswahl gegeben wird, und zwar nicht nur, weil wir sonst Klimaziele weiter verfehlen, sondern weil dann eben alle Bestandsfahrzeuge einen Beitrag leisten können, was für die Logistikbranche ja ein wichtiger Kostenfaktor ist. Wir werden bei entsprechender Skalierung der Produktion an Orten, wo erneuerbarer Strom besonders günstig ist, Literproduktionspreise zwischen ein und zwei Euro bis 2030 erreichen. Erste Projekte z.B. Haru Oni zeigen, dass Preise von 1,5 €/l möglich sind.

Bei einer vernünftigen Besteuerung halten sich die Mehrkosten in vertretbaren Grenzen, insbesondere auch weil keine neue Infrastruktur erstellt werden muss und Bestandsfahrzeuge genutzt werden können.

KOPO: Herr Diemer, vielen Dank für das Gespräch.

Dieser Beitrag erscheint in der März-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO).
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