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Digitalisierung unter strengster Konnexität umsetzen

Allgemein, Strukturpolitik

Das Onlinezugangsgesetz (OZG) soll bis 2022 etwa 575 öffentliche Leistungen für den Bürger digital abrufbar machen. Rund drei Viertel der Services liegen auf Ebene von Städten, Gemeinden und Landkreisen. Die Kommunen müssten bei jeder Anpassung von Regularien und Förderprogrammen frühzeitig eingebunden werden, fordert der Vorsitzende der Kommunalpolitischen Vereinigung von CDU/CSU, Christian Haase MdB, im Interview. *

Wie schaffen wir es in Deutschland, das Onlinezugangsgesetz (OZG) bis 2022 umzusetzen?

Haase: Wichtig ist es, bei allen Beteiligten ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es bei der Digitalisierung um alle gesellschaftspolitischen Fragen der Zukunft geht. Sie beeinflusst und verändert Organisations- und Entscheidungsprozesse nachhaltig und schafft dabei gleichzeitig neue und bisher unbekannte Freiräume. Dass wir in Deutschland mit unseren Kommunen heterogen aufgestellt sind, ist unsere Kraft und kein Makel. Viele Kommunen sind doch längst auf dem Weg und haben ihre Verwaltungen und Dienstleistungen angepasst. Jetzt müssen die guten Beispiele weiterentwickelt werden und allen anderen Kommunen angeboten werden. So geht das den richtigen Weg.

Also keine Aufgabe, die von Berlin aus gelingt…?

Haase: Wer glaubt, dass so etwas mit harter Hand zentralistisch, von oben herab zu regeln sei, irrt und produziert unnötige Widerstände. Wir müssen die Menschen in den Verwaltungen mitnehmen. Die Länder haben sich mit dem Bund in einem Staatsvertrag verpflichtet. Nun sind alle gefordert ihre Hausaufgaben zu machen. Öffentlicher Druck stellt sicher, dass die Länder gegenüber den Kommunen verantwortlich bleiben und Digitalisierung unter strengster Konnexität umsetzen müssen. Wir müssen alle an einem Strang ziehen.

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Was muss sich aber dann auf Bundesebene tun?

Haase: Weil wir ja eine im Grunde funktionierende Verwaltung haben und ein komplex gewachsenes System von Gesetzen, stößt man gleichzeitig bei einer digitalen Umsetzung auf Prozess- und Organisationsfragen. Sicher müssen die bestehenden Gesetze und Verwaltungsregeln sowie Prozesse auf ihre Digitaltauglichkeit hin überprüft werden, aber bis 2022 wird das nicht gelingen. Einige Kernentscheidungen sollten meiner Meinung nach getroffen werden, auf die sich alle einstellen können: Wir sollten den elektronischen Personalausweis beziehungsweise den Identitätsnachweis (Aufenthaltstitel) als modernes und mobil einsetzbares Authentifizierungsmedium flächendeckend einsetzen und dieses Angebot entsprechend auch für Unternehmen öffnen. Ich bin mir sicher, dass das einen Digitalisierungsschub bringt. Außerdem müssen wir die Schriftformerfordernisse überprüfen beziehungsweise so ausgestalten, dass wir ein einheitliches digitales Verfahren dafür einsetzen.

Wie können die Kommunen aus Ihrer Sicht dabei besser ins Spiel gebracht werden?

Haase: Die Kommunen müssen generell von Beginn an eingebunden werden. Bei jeder Anpassung oder einer Neuauflage von Regularien und/oder Förderprogrammen muss eine frühzeitige Einbeziehung in die Planung gewährleistet sein. Die Digitalisierung funktioniert nur gemeinsam mit den Kommunen. Ich sehe die Länder in der Verantwortung, sich um
ihre Kommunen zu kümmern; gerade bei kleinteiligeren Strukturen sind neben den Gemeinden und Städten die Landkreise von besonderer Bedeutung.

Was kann die KPV von CDU/CSU leisten, um die Akteure aus Bund, Ländern und vor allem Kommunen wirklich konstruktiv an einem Tisch zu bekommen? Was haben Sie bereits in dieser Sache angestoßen?
Haase: Alle Akteure sind zum Beispiel im IT-Planungsrat oder bei laufenden Projekten mit dabei. Wir motivieren alle  Beteiligten sich auch konstruktiv einzubringen und sind gerade mit dem Bund und den Kommunalen Spitzenverbänden im Gespräch, um politisch Druck zu machen für die Breite der Städte. Die Delegierten haben auf der KPV-Bundesvertreterversammlung am 16./17. November in Koblenz einen Beschlussentwurf des KPV-Bundesfachausschusses Digitalisierung, der unter der Leitung von MdB Josef Oster steht, verabschiedet. In unserer Arbeitsgruppe Digitalisierung haben wir aus kommunalpolitischer Sicht Anstöße gegeben und auf unserem Kommunalkongress haben wir es zum Thema gemacht. Auch vor Ort in den Gemeinde- und Stadträten und in den Kreistagen müssen wir jetzt die richtigen Fragen
stellen und Motor sein, um die Digitalisierung voranzubringen.

Das OZG gibt klare Vorgaben hinsichtlich Anzahl und Zeitpunkt digital anzubietender Verfahren. Es besagt aber nichts über die Qualität der Services. Wer soll das künftig sicherstellen?

Haase: Eine insgesamt hohe Qualität der öffentlichen Verwaltung, insbesondere im kommunalen Bereich, garantiert Stabilität und auch soziale Sicherheit. Hier das Beste für alle zu bieten, muss unser Ziel sein. Wir müssen immer den Anspruch haben, auch im Bereich der Digitalisierung an der Spitze zu stehen. Das umfasst neben dem Angebot auch die Qualität. Über 70 Prozent der Verwaltungsvorgänge liegen in kommunaler Hand. So nah an den Bürgern, achten die Kommunen auf die Qualität. Falls jemand noch auf die Idee käme Qualitätsstandards von oben vorzuschreiben, schaffen wir das ambitionierte Ziel 2022 gar nicht.

Was ist notwendig, um die bislang schon digitalisierten (und besten!) kommunalen Leistungen so abzubilden, dass man einen Überblick gewinnt?

Haase: Das ist Sache der Projektverantwortlichen in den Ländern und beim Bund. Sicher können die kommunalen Spitzenverbände helfen. Vielleicht lassen wir jetzt mal alle ihre Arbeit machen. Statt neue Koordinierungsrunden zu erfinden oder bürokratisch ein Register aller Produkte und Entwicklungen auf kommunaler Ebene zu erstellen – auf den
Gedanken könnte man ja kommen – sollte das, was verabredet ist, umgesetzt werden.

* Dieses Interview ist am 10. Dezember 2018 im Online-Journal „Verwaltung der Zukunft“ erschienen. Autor der Fragen: Julian Einhaus.

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