Das Onlinezugangsgesetz (OZG) ist 2017 als eines der wichtigsten und größten Vorhaben der deutschen Verwaltungsdigitalisierung gestartet. Bis Ende 2022 sollten alle Verwaltungsleistungen nutzerfreundlich online zur Verfügung stehen. Mittlerweile ist es 2023 und die Bilanz fällt mehr als ernüchternd aus. Bisher habe alle Mühen und Gelder außer Frust auf allen Seiten wenig Zählbares hervorgebracht. Dies ist vor dem Hintergrund der zunehmenden Überforderung der Verwaltung, insbesondere in den kommunalen Behörden vor Ort, dramatisch.
Eine gute Verwaltungsdigitalisierung könnte nicht nur Personalressourcen für die Arbeit mit und an Menschen freisetzen. Auch der fortschreitende Vertrauensverlust gegenüber dem Modernisierungswillen und der Handlungsfähigkeit der Verwaltung könnte aufgehalten werden. Nach dem Ablauf der Frist hat sich das Bundesinnenministerium (BMI) eine Novellierung des OZG vorgenommen und eröffnet damit die Gelegenheit aus den Erfahrungen der letzten fünf Jahre zu lernen. An einigen Stellen ist dies im aktuellen Entwurf erkennbar: Die Festlegung auf je ein einheitliches Bürger- und Unternehmenskonto würde zu Planungssicherheit bei den umsetzenden Behörden und zu einem einheitlichen Auftreten gegenüber den Nutzenden führen. Auch die Once-Only-Generalklausel ist begrüßenswert, damit Daten, die der Verwaltung bereits an anderer Stelle vorliegen, ohne Umwege abgerufen und genutzt werden können. Nicht zuletzt soll festgelegt werden, dass eine Schriftform durch ein geeignetes digitales Angebot leichter ersetzt werden kann.
Diese guten und wichtigen Regelungen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich an der Zielsetzung und den grundlegenden Mechanismen und Strukturen der Verwaltungsdigitalisierung nichts ändern soll. Dabei sind es diese ambitionierten Ziele und die ineffektiven Strukturen, die den Erfolg des OZG im Speziellen und der Verwaltungsdigitalisierung im Allgemeinen blockieren.
Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) hat daher weitergehende Forderungen aufgestellt, die für eine Trendumkehr beim OZG-Änderungsgesetz dringend nötig wären. Diese beginnen mit einem klaren Zielbild für das OZG: Statt sich auf den Zugang zu Verwaltungsleistungen zu beschränken, sollte ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden, der vom Onlinezugang bis in die Fachverfahren reicht.
Einer-für-Alle-Lösungen kommen nicht in der Fläche an
Die bisherige Strategie der OZG-Umsetzung setzt darauf, dass einzelne Länder Software entwickeln (lassen) und diese dann den anderen Ländern und Kommunen als so genannte einer Einer-für-Alle-Lösungen (EfA) zur Verfügung stellen. Diese Lösungen kommen aber zu selten in die Fläche, da die unterschiedlichen Bedarfe von lokalen Verwaltungen zu wenig Berücksichtigung finden und die Software nicht zu den jeweiligen Betriebsumgebungen passt. Statt EfA-Software sollte sich vielmehr auf Basiskomponenten sowie Standards und Schnittstellen fokussiert werden.
Das Beispiel der einheitlichen Nutzerkonten macht deutlich, dass die zentrale Bereitstellung bestimmter Komponenten, Services oder Funktionen wie beispielsweise ein Verwaltungsportal, eine Datenaustausch-Infrastruktur oder eine Bezahlfunktion erheblichen Mehrwert bietet. Diese müssen nicht vom Bund entwickelt und bereitgestellt werden. Der Bund sollte jedoch das Mandat bekommen, um das Architekturmanagement zu übernehmen.
Um diese zentralen Komponenten für alle Verwaltungen in der Breite nutzbar zu machen und das Once-Only-Prinzip mit Leben zu füllen, braucht es entsprechende Standards und Schnittstellen für den Datenaustausch. Diese sollten vom Bund im Benehmen mit dem IT-Planungsrat entwickelt, aber zentral und deutschlandweit verbindlich vorgegeben werden. Bei Softwareentwicklung durch die öffentliche Hand müsste die Kompatibilität mit diesen Standards verpflichtend sein.
Die Bündelung von kompatibler Software in einem App-Store könnte die Transaktionskosten weiter senken. Die verfügbaren Lösungen sollten aber bereits auf technische und rechtliche Anforderungen überprüft worden sein, sodass nicht jede Verwaltungsstelle die Prüfungen individuell durchführen muss. Anstatt durch das EfA-Prinzip eine Software für alle vorzugeben, könnte so ein gesunder Wettbewerb zwischen den Anbietern kompatibler Software entstehen.
Ein solches Standardisierungs- und Auditierungsregime erfordert eine professionelle und leistungsstarke Organisation. Deshalb fordert der NKR, dass die Koordinierungsstelle für IT-Standards und die Föderale IT Kooperation (FITKO) zusammengelegt und nach dem Vorbild führender Digitalnationen zu einer Digitalisierungsagentur ausgebaut werden.
Fortschritt der OZG-Umsetzung wenig transparent
Mit dem aktuellen Entwurf zum OZG-Änderungsgesetz hat sich das BMI entschieden, keine neue Frist für die gesamte OZG-Umsetzung vorzuschreiben. Aus Sicht des NKR ist jedoch nicht hinnehmbar, gänzlich auf Fristen zu verzichten. Vielmehr eröffnet der oben beschriebene Ansatz die Möglichkeit, bestimmte Basiskomponenten und Standards jeweils mit spezifischen Fristen zu versehen und so Maßnahmen zeitlich aufeinander abzustimmen. Ohne Fristen würde auch ein wichtiges Instrument für die Erfolgskontrolle aus der Hand gegeben werden. Bereits jetzt ist der Fortschritt der OZG-Umsetzung wenig transparent. Nötig ist ein öffentlich zugängliches Monitoring, das kommunengenau aufschlüsselt, welche Verwaltungsleistung in welchem Reifegrad vorliegt. Daneben sollte auch die Qualität der Lösungen evaluiert und berichtet werden, indem Nutzungsquoten und Zufriedenheitswerte veröffentlicht werden.
Insgesamt wünscht sich der NKR ein ambitionierteres OZG 2.0. Und er ist damit nicht allein, die Stellungnahmen der Länder und vieler Verbände gehen inhaltlich bei vielen Punkten in eine ähnliche Richtung. Wir hoffen, dass im BMI die zahlreichen Stimmen gehört werden und man die Verwaltungsdigitalisierung endlich ganzheitlich angeht.
Autorin: Dorothea Störr-Ritter, Mitglied des Nationalen Normenkontrollrates und Landrätin im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald
Dieser Beitrag ist in der Mai-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO) erschienen.
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