Unabhängig vom eigenen Wohnort ist jeder von uns gewohnt, zu jeder Tages- und Nachtzeit an jedem Tag im Jahr den Wasserhahn aufzudrehen und das Trinkwasser fließt. Wir genießen Versorgungssicherheit, Trinkwasser steht jederzeit in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung. Für uns alle ist das selbstverständlich, Deutschland ist doch ein wasserreiches Land. So zumindest war die verbreitete Gewissheit der Bürgerinnen und Bürger vor den Jahren 2018 bis 2020, die als Dürrejahre gelten.
Tatsächlich war auch in den Jahren vor 2018 nicht an jedem Ort in Deutschland das jeweilige natürliche Wasserdargebot immer ausreichend für den örtlichen Bedarf. Doch durch Strukturentscheidungen, zum Beispiel in Form von interkommunaler Zusammenarbeit, durch technische Lösungen wie Verbundsysteme oder Talsperren wurden trotzdem Lösungen geschaffen und über die Jahre weiterentwickelt, die in der Summe Versorgungssicherheit an jedem Ort in Deutschland gewährleisten.
Das Helmholtz Zentrum für Umweltfragen (UFZ) geht davon aus, dass der durchschnittliche Niederschlag und die durchschnittlichen Temperaturen in Deutschland in den kommenden Jahren zunehmen. Allerdings werden sich die Niederschläge über das Jahr anders verteilen. In Kombination mit den steigenden Temperaturen bedeutet das, dass wir vor allem in den Sommermonaten häufiger mit Extremereignissen wie Dürren zu rechnen haben und es temporär und regional zu Wasserknappheit kommen kann. Der Wasserbedarf wird in diesen Zeiten aufgrund der hohen Temperaturen sogar steigen.
Jedes dritte Unternehmen kann Engpässe in der Wasserversorgung nicht ausschließen
Das passt zu einer aktuellen Umfrage des VKU unter seinen Mitgliedern. Vereinzelt kann eine anhaltende Trockenheit erneut einen Stresstest für die Wasserversorgung auslösen. So kann fast jedes dritte Unternehmen zumindest temporäre Engpässe nicht gänzlich ausschließen. Konkret heißt das: Jeder fünfte Versorger rechnet mit ressourcenseitigen Knappheiten und jeder zehnte damit, dass Netze und Anlagen bei hohen Spitzenlasten an Grenzen geraten. Niemand muss fürchten, dass infolge von Trockenheit morgen kein Trinkwasser mehr aus der Leitung kommt. Die große Mehrheit der Wasserversorger sieht sich gut für den jetzt beginnenden Sommer gerüstet. Damit das überall so bleibt, damit wir weiterhin Versorgungssicherheit in allen Orten als selbstverständlich betrachten können, sind aber bereits jetzt einige politische Initiativen notwendig: Die Wasserressourcen müssen besser als bisher vor Verschmutzungen durch Einträge wie Nitrat oder Pflanzenschutzmittel geschützt werden. Nur dann können sie dauerhaft der Trinkwasserversorgung dienen. Wenn die Qualität einer Wasserressource beeinträchtigt wird, so dass sie nicht mehr für die Trinkwasserversorgung genutzt werden kann, hat sich alleine dadurch das zur Verfügung stehende Wasserdargebot verknappt.
Wenn unterschiedliche Nutzer auf die örtliche Wasserressource zugreifen wollen, das Dargebot aber nicht für alle ausreicht, muss abgewogen werden, wessen Interesse vorrangig zum Zug kommen soll. Das Wasserhaushaltsgesetz trifft hier eine klare Entscheidung zu Gunsten der öffentlichen Wasserversorgung. Diese Festlegung darf durch landesrechtliche Regelungen nicht aufgeweicht werden und muss bei behördlichen Entscheidungen über die Entnahme von Wasser für die öffentliche Wasserversorgung maßgeblich sein. Die öffentliche Wasserversorgung benötigt Rechtssicherheit über lange Investitionszeiträume. Die Genehmigung für die Benutzung von Gewässern sollte deshalb grundsätzlich mit der höchstmöglichen Verbindlichkeit, der Bewilligung nach dem Wasserhaushaltsgesetz erfolgen. Ausnahmen, aufgrund derer für bestimmte Nutzer keine Genehmigung für die Entnahme von Wasser notwendig ist, müssen auf absolute Bagatellfälle reduziert werden.
Wasserkreislauf stabilisieren
Stärker in den Blick darf aber nicht nur die Entnahme von Wasser, sondern muss die Bewirtschaftung des gesamten Wasserhaushaltes rücken. Es muss wieder mehr Niederschlagswasser zum Beispiel durch Versickerung in den Boden gelangen. Der künstlich geschaffene schnelle Abfluss von Niederschlagswasser passt nicht mehr zu den veränderten Klimabedingungen. Die kommunale Wasserwirtschaft investiert jährlich circa acht Milliarden Euro in den Erhalt und die Entwicklung ihrer Systeme. Für zusätzlich notwendige Investitionen in die Klimaanpassung bedarf es gezielter Förderung. Gerade in dünn besiedelten Gebieten würden die Bürger bei einer reinen Umlage der Kosten auf Beiträge und Gebühren schnell überlastet. Die europarechtlich neu geschaffene Möglichkeit, für Trinkwasser einen Umsatzsteuersatz von Null festzusetzen, sollte in Deutschland genutzt werden. Dies könnte auch die im nächsten Jahr greifende steuerrechtliche Verschlechterung für die interkommunale Zusammenarbeit ein Stück weit abmildern. Planungs- und Genehmigungsverfahren für Infrastrukturmaßnahmen wie ein neues Wasserwerk oder Verbundsysteme, die für die Klimaanpassung notwendig werden, dauern in Deutschland zu lange. Das Gesetz zur Beschleunigung des Einsatzes verflüssigten Erdgases (LNG Gesetz) schafft notwendige Regelungen, die übertragen werden könnten.
Außerdem muss das Vergaberecht an die gestörten Lieferketten angepasst werden. Bleiben die Regeln zu starr, wird es keine Angebote mehr für Infrastrukturvorhaben geben. Die Entwicklungsplanung einer Kommune muss sich sehr viel stärker auch am zur Verfügung stehenden Wasserdargebot orientieren. Die Entwicklung neuer Wohngebiete und die Ansiedlung wasserintensiver Industriebetriebe kann nicht ohne ausreichende Wasserressourcen erfolgreich sein. Die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern muss verstärkt werden. Es geht um das Verständnis und die Mitwirkung für den Fall, dass vor Ort temporäre Einschränkungen der Wassernutzung beispielsweise für die Gartenbewässerung notwendig werden. Diese und weitere Punkte muss die Nationale Wasserstrategie aufgreifen. Noch in diesem Jahr will das Bundeskabinett dazu beschließen.