Im Jahr 2022 mit Beiträgen von 21 namhaften Autoren auf 312 eng bedruckten Seiten haben Florian Haacke und Dr. Christian Endreß, der Sicherheitschef der Porsche AG gemeinsam mit dem Bundesgeschäftsführer der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft ASW, ein geradezu brandaktuelles Kompendium zu öffentlicher wie privater Sicherheit in Deutschland wie auch Europa erstellt. Unter dem Titel „Risiko Blackout“ liefern die beiden Autoren praxisnahe Antworten. Eine Buchbesprechung durch die kommunale Lesebrille.
Das Thema Krisenvorsorge rückt mehr und mehr in den Blickpunkt, auch vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und globaler Spannungen und Kriegsgefahren, aber auch Gewalt in Europa wie in Deutschland. Der Sammelband „Risiko Blackout“ listet Notwendigkeiten auf, Sicherheitsvorkehrungen zu verbessern. Er betrachtet staatliche Sicherheit, kommunale Sicherheit, Bevölkerungs- und Katastrophenschutz, private Sicherheitswirtschaft und Unternehmenssicherheit zutreffend als Gesamtheit und entwickelt seine Gesamtschau ausgehend vom Krisenfall „Stromausfall“.
Fazit: Notwendige Schritte zur Notfallvorsorge sind in Deutschland sehr oft noch zu gehen oder in den Anfängen. Der Themenkomplex war allzu lange nicht im Fokus einer größeren Öffentlichkeit. Ansprechpartner oder Verhaltenserfordernisse in Krisen sind weithin kaum bekannt. Es ist dringend notwendig, die Bevölkerung insgesamt, in Firmen und Organisationen die Belegschaften, kontinuierlich und aktiv in die notwendigen Informationsprozesse einzubeziehen.
Was wäre, wenn …
Ein fast banal klingendes Beispiel: Als geradezu alltägliche Erfordernis ist die in Teilen der Bevölkerung kaum mehr ausgeprägte Ernährungskompetenz zu stärken. Ein gravierender klingendes Beispiel: Geradezu Tag für Tag spüren wir die Abhängigkeit international verflochtener Wirtschaft in Form von funktionierenden Liefer- und Transportketten.
Lernen von dem, was falsch und auch dem, was richtig läuft, zügig und flexibel auch auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren, interne und externe Faktoren beobachten, Chancen und Risiken antizipieren, Zielkonflikte ausgleichen und moderieren, möglichst viele Betroffene einbinden, Pläne konzipieren und damit Handlungsoptionen schaffen, Ressourcen bereitstellen – vielfältige Aspekte zeigen uns: Um Sicherheit wirksam zu schützen, sind Gesellschaft, Wirtschaft und Politik auf allen Ebenen gefordert.
Die Rolle von Polizeien und Sicherheitskräften wie etwa der Bundeswehr bei solchen Szenarien ist kaum „primärer Katastrophenhelfer“. Doch auch für derartige Lagen krisenfest und reaktionsfähig zu sein, entspricht deren Aufgabe und Selbstverständnis als Teil vernetzter Krisenbewältigung. Weiterhin ist ihre Erfahrung bei der Beurteilung von Lagen eine entscheidende Kompetenz. So ist etwa die Polizei durch Gefahrenabwehrrecht, Katastrophenschutzgesetze und eigene Polizeidienstvorschriften verpflichtet, sich auf solche Lagen zwar auch theoretisch, vor allem aber durch Investitionen praktisch vorzubereiten.
Neue Wege gehen
Als Beispiel für die Möglichkeit internationalen Lernens zum Umgang mit Gefahren sei der Hinweis auf Hurrikanvorbereitungen gestattet, wie sie zum Beispiel im Staat Florida der USA Jahr für Jahr geradezu Tradition sind. Die entsprechende Information der Bevölkerung erfolgt dort medial in aller Vielfalt und kontinuierlich. Es ist zu empfehlen, neue Informationswege bezogen auf Deutschland oder Europa regional, auch international zu entwickeln und zu gehen.
Das Sicherheitskompendium umfassend zu besprechen ist hier nicht möglich, aber der Abriss soll zeigen: Das neue Standardwerk zur Sicherheit führt uns zu vielfältigen Erkenntnissen, Handreichungen und Erfordernissen, um das lange zu wenig wahrgenommene Thema jetzt in einer breiten Öffentlichkeit umfassend aufzugreifen. Es geht weit über „Sicherstellung unserer Stromversorgung“, wie das Buch quasi als Leitmotiv andeutet, hinaus.
Zur „Sicherstellung unserer Stromversorgung“ hier ein ergänzender Aspekt: Ein internes Papier der deutschen Berufsfeuerwehren beschrieb jüngst sechs Phasen, wie sich ein Stromausfall auswirken kann. Zusammenfassend: Kritisch würde es schon, wenn der Strom im Bundesgebiet oder einer größeren Region länger als vier oder fünf Stunden ausfiele. Bei Stromausfall zwischen acht bis 72 Stunden „fallen Gefahrenmelde- und Brandmeldeanlagen aus. Zugleich kommt es zu ersten Bränden und Schäden, weil Menschen versuchen, den Stromausfall zu kompensieren, indem sie unsachgemäß Feuer machen. Weil an Tankstellen kein Benzin mehr gezapft werden kann, bleiben die ersten Autos liegen. In der Massentierhaltung gibt es langsam massive Probleme. Die lokalen Katastrophenschutzhelfer sind nun ohne Unterlass im Einsatz. Bei der Versorgung mit Trinkwasser und Lebensmitteln kommt es zu ersten Problemen“ (Zitat t-online-Nachrichten, 17. Oktober 2022).
Gefahr von Cyberattacken steigt
Ein weiterer wichtiger Fakt: Die Unternehmen in Deutschland sehen eine stärkere Gefährdung durch Cyberangriffe. So griff etwa die Landesvertretung Bayern in Berlin am 19. Oktober 2022 das Thema „Sicherheit im Cyberraum“ mit einer Großveranstaltung auf. Der Deutsche Städtetag konstatierte: „Ein Blackout ist ein realistisches Szenario“ und „eine funktionierende Notversorgung mit Wasser und Wärme ist nur über maximal 72 Stunden möglich.“ Und weiter: Die EU-Kommission nahm Forderungen aus dem Europäischen Parlament auf und rief am 18. Oktober 2022 die Mitgliedsstaaten zum besseren Schutz kritischer Infrastrukturen auf.
Der Deutsche Bundesrat fasste bereits am 7. Oktober 2022 eine Entschließung für nachhaltige Stärkung des Zivil- und Katastrophenschutzes. Zusätzlich zu den 100 Milliarden Euro zur Ertüchtigung der Bundeswehr sollen binnen der nächsten zehn Jahre zunächst zehn Milliarden Euro in einen „Stärkungspakt Bevölkerungsschutz“ einfließen. Hier gibt es neue Möglichkeiten zur kommunalen Partizipation an Sicherheitsinvestitionen.
Insbesondere in Fachkreisen geht es nicht mehr um die Frage, ob je ein Blackout eintreten wird, sondern wann. Ein Thema wie „sichere Versorgung mit Elektrizität und Wasser“ ist heute komplexer denn je anzugehen, zumal geopolitische Faktoren und der Klimawandel in Szenarien einfließen, die vorzubereiten sind – auch in offensiver kommunalpolitischer Diskussion und Handlungsbereitschaft.
Autor: Klaus Dieter Reichardt, ehemals Mitglied des Deutschen Bundestages und des Landtags von Baden-Württemberg sowie selbständig als Consultant und Dozent mit Schwerpunkt Sicherheit
Dieser Beitrag ist in der November-Ausgabe der kommunalpolitischen blätter (KOPO) erschienen.
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