Kopo

Energiepolitische Prioritäten der neuen Legislaturperiode

Allgemein

Von Energie handeln im Koalitionsvertrag viele Seiten. Auch für kommunale Unternehmen finden sich hier die relevanten Themen. Jetzt gilt es, auf der Grundlage des Vertragstextes die richtigen Prioritäten zu setzen. Die Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren im Strombereich sind noch ambitionierter geworden. Deshalb ist es umso entscheidender, jetzt die effektive Netz- und Marktintegration der Erneuerbaren […]

Von Energie handeln im Koalitionsvertrag viele Seiten. Auch für kommunale Unternehmen finden sich hier die relevanten Themen. Jetzt gilt es, auf der Grundlage des Vertragstextes die richtigen Prioritäten zu setzen. Die Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren im Strombereich sind noch ambitionierter geworden. Deshalb ist es umso entscheidender, jetzt die effektive Netz- und Marktintegration der Erneuerbaren in den Mittelpunkt der energiepolitischen Arbeit zu stellen. Ziel muss es sein, die richtigen Innovationen auf einer marktwirtschaftlichen Basis anzuregen. Auch für die Arbeit und zukunftsfähige Geschäftsmodelle der Stadtwerke vor Ort.

Mit dem Ziel, den Anteil der Erneuerbaren am gesamten Stromverbrauch bis zum Jahr 2030 auf 65 % auszubauen, wurde das bisherige Ziel um 10 Jahre vorgezogen. Und das, obwohl eine wesentliche Voraussetzung zur Integration weiter wachsender erneuerbarer Strommengen, der Netzausbau, nicht wie geplant kommt. Es ist daher richtig, dass der Koalitionsvertrag neben dem auf allen Ebenen wichtigen Netzausbau sowie der Netzverstärkung Wert auf die Versorgungssicherheit legt. Voraussetzung für Versorgungssicherheit zu akzeptablen, wettbewerbsfähigen Preisen ist die Netzintegration der erneuerbaren Energien. Die neue Bundesregierung muss in die Lage versetzt werden, sich nicht allein an prozentualen Zielen beim Ausbau der Erneuerbaren zu orientieren, sondern den Weg hin zu einer echten, wirtschaftlichen erneuerbaren Energieversorgung zu beschreiten.

Mit dem Einstieg in die Ausschreibung der Förderung ist ein dringend notwendiger Beitrag für eine Kostendämpfung geleistet worden. Die 19. Legislaturperiode sollte sich nun durch einen echten Fortschritt bei der Marktintegration auszeichnen. Das liegt auch am bereits erreichten Umfang des Ausbaus: Am Morgen des 1. Januar 2018 ist es unter günstigen Umständen rechnerisch erstmals gelungen, Deutschland eine Stunde lang mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen. Weitere konventionelle Kraftwerke wurden eingesetzt, um das System im Gleichgewicht zu halten. Diese Situation – mehr wäre zu viel gewesen – macht deutlich, dass eine bedarfsgerechtere Ausrichtung aller Erneuerbaren in den Vordergrund rücken muss.

Daher gehört die Reform des Abgaben- und Umlagensystems, der energiewirtschaftlichen Spielregeln (Förderung, Netzanschluss, Bilanzkreisregeln, etc.) sowie die Frage der zukünftigen Bereitstellung von Flexibilität prioritär auf die Agenda der neuen Bundesregierung. Die Möglichkeiten, auch regional mit bestehenden Netzen Bedarfe zu decken, sind groß. Auch das ist Marktintegration. Durch eine bedarfs- und verursachungsgerechte Ausrichtung der Netzkosten muss dafür gesorgt werden, dass kommunale Infrastruktur dauerhaft finanziert wird und ein netzdienliches Verhalten auch von Eigenversorgern angeregt wird.

Die drei wesentlichen Ziele Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit müssen zukünftig nicht nur auf dem Papier, sondern effektiv gleichwertig behandelt werden. Klargestellt wird im Koalitionsvertrag, dass der Erfolg sich auch in internationaler Nachahmung misst. Deutschland muss allein schon deshalb erfolgreich bleiben, um die Kosten der Transformation des Energiesystems tragen zu können. Es geht aber auch um die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte insgesamt. Neben dem hinreichend quantifizierten Ziel der Umweltverträglichkeit müssen auch die Ziele Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit mit einer gleichwertigen Zahlen- und Zielbasis unterlegt werden. Hierfür sind die kritischen Empfehlungen aus dem Bericht des Bundesrechnungshofs zur Energiewende von Dezember 2016 hilfreich.

Neben der stärker markt-, also bedarfsgerechten Ausrichtung der Erneuerbaren, sollte in der  Umsetzung des Koalitionsvertrages eine Energieversorgungsstrategie entwickelt werden, wie sie auch die Landesregierung von NRW plant. Diese sollte den Risiken für eine jederzeit sichere Energieversorgung begegnen, die Beschaffung der Energieträger sowie die dafür notwendige Infrastruktur berücksichtigen sowie die systemischen und europäischen Herausforderungen integrieren. Deutschland muss eine bedarfsorientierte Energieversorgung sicherstellen. Der Umkehrschluss hieße, die Energieversorgung zum größten Teil am Wetter auszurichten. Diese Grundvoraussetzung gilt es zu berücksichtigen, wenn über die politisch zu veranlassende Reduktion gesicherter Kraftwerksleistung diskutiert wird.

Das Anregen von Innovationen und ein positiver Einsatz der Digitalisierung im Energiebereich brauchen eine klare Rollenverteilung im Energiemarkt. Kluge Spielregeln sind die Voraussetzung für wirtschaftliche und bedarfsgerechte Innovationen. Für die Rollenverteilung gilt es, die Trennung von Netz und Erzeugung zu sichern. Regulierte Netzbetreiber dürfen also keine Daten für neue Geschäftsmodelle im marktlich organisierten Bereich von Energieerzeugung, Energiespeicherung und Energievertrieb nutzen. Die Daten müssen vielmehr anonymisiert vom Netzbetreiber zur Verfügung gestellt werden. Anders ausgedrückt: Innovationen brauchen einen Markt und keine Wiederbelebung von mühsam überwundenen Monopolen – auch in Zukunft.

Zu klären ist auch die Rolle des Staates in der angestrebten Transformation. Inwieweit tritt er als Rahmensetzer oder als Partner für die Entwicklung auf? Sicher ist, dass die staatliche Verantwortung in dem Maße steigt, in dem er aktiv gestaltet. Heute greift der Staat immer stärker in die Energieerzeugungsstruktur ein, behauptet aber gleichzeitig, dass der Markt alles regeln werde – ein Widerspruch in sich. Im Netzbereich delegiert der Staat immer mehr quasi-hoheitliche Aufgaben an Übertragungsnetzbetreiber, die zunehmend in der Hand von internationalen, teils staatlichen Investoren sind. Auch weil es hier um kritische Infrastruktur unserer Volkswirtschaft geht, braucht Deutschland eine energieordnungspolitische Debatte. Jetzt. Andernfalls werden die Kosten für die Energiewende weiter steigen. Das würde der Welt noch stärker vor Augen führen, dass der von uns eingeschlagene Weg vor allem sehr teuer ist. International stünde also nicht die Nachahmung im Vordergrund, sondern in wachsendem Maße ein Abschreckungseffekt.

Autor: Dr. Hans Wolf von Koeller, Leiter des Bereichs Energiepolitik der STEAG GmbH.

 

Dieser Beitrag ist in der März-Ausgabe in gekürzter Fassung erschienen. Die Online-Veröffentlichung der Originalfassung findet in Absprache mit dem Autor statt. Missverständnisse, die durch die Kürzungen entstanden sind, bitten wir zu entschuldigen.

Artikel drucken

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren