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Sabine Lautenschläger: Hohe Standards müssen auch für Sparkassen gelten

Allgemein, Europa, Finanzen

Das Ansinnen der Europäischen Zentralbank (EZB) und der europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA), die Verwaltungsräte der Sparkassen in Deutschland mit weniger kommunalen Vertretern zu besetzen, findet bekanntlich bei den kommunalen Spitzenverbänden und auch bei der Kommunalpolitischen Vereinigung der der CDU und CSU Deutschlands (KPV) wenig Zustimmung. Wir haben bei Sabine Lautenschläger, Mitglied des EZB-Direktoriums und stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsgremiums der EZB, direkt nachgefragt. Hier finden Sie ihre Argumente für einheitliche Kriterien bei der Besetzung der Leitungsorgane aller europäischen Kreditinstitute.

„In Vielfalt geeint“ ist das Motto der EU. Und das trifft auch auf den Bankensektor zu: Wir haben seit 2014 eine geeinte europäische Aufsicht, gleichzeitig aber eine große Vielfalt von Banken und Geschäftsmodellen. Und das ist durchaus wünschenswert – Vielfalt wirkt stabilisierend und stellt sicher, dass alle Bedürfnisse der Wirtschaft und der Kunden erfüllt werden. Die deutschen Sparkassen sind regional ausgerichtet und konzentriert auf das klassische Bankgeschäft. Damit spielen sie eine wichtige Rolle für die deutsche Wirtschaft. Daran zweifelt niemand.

Gerade weil sie so bedeutend sind, müssen Sparkassen gut geführt werden. Die Regeln zur „Beurteilung der fachlichen Qualifikation und persönlichen Zuverlässigkeit“ von Mitgliedern der Leitungsorgane sollen genau das sicherstellen. Sie sollen dazu beitragen, dass die Leitung jedes Instituts stets in der Lage ist, Entscheidungen ausgewogen, an der Sache orientiert und im Interesse des Instituts zu treffen. Das dient der Sicherheit und Solidität der Institute, und es fördert das Vertrauen der Kunden und der Öffentlichkeit in die Sparkassen. Daran sollte auch den Sparkassen selbst gelegen sein.

Unser Ziel ist es, für den gesamten Euro-Raum gemeinsame hohe Standards zu entwickeln. So können wir sicher sein, dass Institute überall gut geführt werden. Daher begrüßen wir, dass die europäische Bankenaufsichtsbehörde, EBA, daran arbeitet, die entsprechenden Standards zu vereinheitlichen. Diese Standards wurden von uns mitentwickelt, sie gelten für alle Kreditinstitute in Europa, also auch für Sparkassen und sie folgen dem Prinzip der Proportionalität.

Mit Blick auf die signifikanten Institute im Euro-Raum geht die Arbeit der EZB jedoch noch weiter – nicht zuletzt um die einheitliche Anwendung der Standards sicherzustellen. Im November 2016 haben wir einen entsprechenden Leitfaden zur Konsultation gestellt. Dieser Leitfaden soll sicherstellen, dass die europäischen Standards bei allen signifikanten Instituten einheitlich umgesetzt werden. Dazu gehört zum Beispiel, die Kriterien und Prozesse zur Beurteilung von Kandidaten für Leitungsorgane einheitlich auszulegen und bestimmte aufsichtliche Instrumente einheitlich anzuwenden. Hier hilft es natürlich, die Richtlinien, Prozesse und Praktiken transparent zu machen – sowohl gegenüber den Kandidaten als auch den Instituten und der breiten Öffentlichkeit.

Letztlich aber zählt immer der Einzelfall, wenn es darum geht, die fachliche Qualifikation und persönliche Zuverlässigkeit eines Kandidaten zu prüfen. Aufsichtliches Ermessen spielt bei jeder Entscheidung eine Rolle. Das erlaubt es, Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen – nicht nur mit Blick auf Sparkassen, sondern auch mit Blick auf Landes- und Förderbanken oder Genossenschaftsbanken. Und das natürlich nicht nur in Deutschland, sondern in allen Ländern des Euro-Raums.

Aber was bedeuten die Standards der EBA und der darauf aufbauende Leitfaden der EZB für die Sparkassen und die Zusammensetzung ihrer Verwaltungsräte? Hier sorgen sich viele Sparkassen.

Da ist zunächst die Sorge, dass es in Zukunft nicht mehr möglich sein wird, Vertreter der Anteilseigner in den Aufsichts- oder Verwaltungsrat zu entsenden – seien es kommunale oder andere Vertreter. Etwas abgeschwächt ist die Sorge, dass die Anzahl solcher Vertreter begrenzt werden könnte. In dieser allgemeinen Form ist die Sorge unbegründet. Alle Kandidaten werden von der Aufsicht beurteilt, zum Beispiel mit Blick auf ihre fachliche Qualifikation, ihre zeitliche Verfügbarkeit oder mögliche Interessenkonflikte.

Interessenkonflikte können zum Beispiel entstehen, wenn ein Kandidat zugleich ein Amt bekleidet, das ihm großen politischen Einfluss verleiht. Die entscheidende Frage ist dann, ob dieses Amt Befugnisse oder Verpflichtungen mit sich bringt, die den Kandidaten daran hindern, ausschließlich im Interesse des Kreditinstituts zu handeln. Was ist mit dem Bürgermeister, der nicht nur Mitglied im Verwaltungsrat der Sparkasse ist, sondern auch eine wesentliche Funktion in den Stadtwerken bekleidet, die einen Kredit der Sparkasse nicht zurückzahlen? Aber: Ein Interessenkonflikt verhindert nicht automatisch, dass ein Kandidat Mitglied des Verwaltungsrats wird.

Entscheidend ist, dass der Interessenkonflikt angemessen gehandhabt und begrenzt wird – das legen die Standards der EBA fest. Der EZB-Leitfaden baut darauf auf und legt fest, dass sowohl das Kreditinstitut als auch der Kandidat alle möglichen oder vermeintlichen Interessenkonflikte gegenüber der EZB offenlegen müssen. Er gilt jedoch nur für diejenigen Institute, die direkt von der EZB beaufsichtigt werden – für die meisten Sparkassen spielt er keine Rolle.

Liegt ein Interessenkonflikt vor, muss das Kreditinstitut zunächst das daraus resultierende Risiko evaluieren. Falls ein Interessenkonflikt dabei als wesentlich eingestuft wird, muss das Kreditinstitut angemessene Maßnahmen ergreifen und der Aufsichtsbehörde in einem „Conflict of interest statement“ darlegen, wie es den Interessenkonflikt verhindern oder begrenzen wird.

Die Aufsichtsbehörde beurteilt dann ebenfalls, ob der Interessenkonflikt wesentlich ist und ob das Kreditinstitut geeignete Maßnahmen ergriffen hat. Falls das Kreditinstitut den Interessenkonflikt nicht ausreichend begrenzen kann, kann die Aufsichtsbehörde weitere Maßnahmen verlangen oder Bedingungen stellen. Dazu gehören zum Beispiel spezifische Stimmenthaltung, fokussierte Überwachung durch das Kreditinstitut selbst oder Berichte an die Aufsicht. Nur wenn weder die Maßnahmen des Kreditinstituts noch die der Aufsicht es ermöglichen, einen wesentlichen Interessenkonflikt angemessen zu handhaben, müsste der betroffene Kandidat abgelehnt werden.

Was die fachliche Qualifikation von Mitgliedern in Aufsichts- und Verwaltungsräten angeht, ist Vielfalt zu begrüßen. Es kann die Qualität von Entscheidungen erhöhen, wenn sich ein Gremium auf ein breites Wissen stützen kann. Dennoch, wie in den Standards der EBA festgelegt: ein gewisses Maß an Sachkunde in Bezug auf Bank- oder Finanzwesen ist notwendig. Nicht zuletzt das Sparkassengesetz verlangt, dass Mitglieder des Verwaltungsrates „wirtschaftliche Erfahrung und Sachkunde besitzen“.

Die Anforderungen an Mitgliedern von Aufsichts- und Verwaltungsräten können durchaus von den Vorgaben abweichen, die für Mitglieder des Exekutivorgans (z.B. des Vorstands) gelten. Das ist vor allem dann der Fall, wenn diese Funktionen von getrennten Einheiten wahrgenommen werden. So müssen nicht alle Mitglieder von Aufsichts- und Verwaltungsräten praktische Erfahrung im Bank- oder Finanzwesen mitbringen. Wenn die EZB Mitglieder von Aufsichts- und Verwaltungsräten prüft, berücksichtigt sie durchaus, dass eine Vielfalt an Erfahrungen notwendig ist. Fehlt Kandidaten das nötige bankspezifische Wissen, können sie es erwerben, zum Beispiel durch Schulungen im Bereich Bank- oder Finanzwesen, Risikomanagement oder dem nationalen Regelwerk für den Finanzsektor. Die Kandidaten können auch Einarbeitungsprogramme durchlaufen, um sich mit den Besonderheiten des Instituts, der Strategie, dem Geschäftsmodell und den wichtigsten Risiken vertraut zu machen.

Als Mitglied des Direktoriums der BaFin und als Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank habe ich mich intensiv mit der Bedeutung und den Besonderheiten des Sparkassensektors beschäftigt. Die Bedeutung dieser Institutsgruppe verlangt, dass Sparkassen ebenso gut geführt werden, wie jede andere Bank. Die Standards zur fachlichen Qualifikation und persönlichen Eignung von Mitgliedern der Leitungsorgane tragen genau dazu bei – ohne die Besonderheiten der Sparkassen zu vernachlässigen.

Autorin:  Sabine Lautenschläger, Mitglied des EZB-Direktoriums und stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsgremiums der EZB

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